Meine Erfahrung mit Geburt würde ich rundum als positiv beschreiben. Ich durfte meine eigenen Kräfte walten lassen in der Zuversicht und mit dem Vertrauen meiner Hebammen. Zu keinem Zeitpunkt fühlte ich mich bedrängt durch ihre Gegenwart und erfuhr die beiden eher als eine Erweiterung meiner Selbst. Ihr Einfühlvermögen und die Ruhe und Zuversicht die ausgestrahlt wurde, erweiterte mein Bewusstsein und mein Vertrauen in mich, in die Situation und weil Geburt so groß ist, auch in das ganze Universum.
Den Kontakt zum Hebammenteam „Hand in Hand“ wurde mir vom Geburtshaus in Lüneburg gegeben, nachdem ich mich bei ihnen in meinem 2. Schwangerschaftsmonat gemeldet hatte und diese bereits voll für den gefragten Zeitraum voll waren. Eigentlich konnte ich mir Geburt gar nicht vorstellen und somit war eine Hausgeburt genauso im Bereich des Möglichen wie alles andere. Die Internetseite des Hausgeburtenteams – insbesondere die Geschichte über die Katzen – stimmten mich dafür positiv. Ich kontaktierte Miriam, die sich für meine Geburt bereitstellte und mir darüber hinaus versicherte, dass ich jederzeit meine Meinung hinsichtlich des Geburtsortes ändern dürfte.
Während der Schwangerschaft hörte ich viele Geburtsgeschichten von anderen Frauen. Die Geschichte einer Frau, die ihre Geburt ganz und gar selber bestimmen wollte, sprach mich besonders an. Sie erzählte, das Kind sei in ihren Körper reingekommen, hat sich da alleine fertig entwickelt und wird mit der Kraft ihres Körpers da auch wieder rauskommen. Da wird ihr niemand sagen müssen, wann sie was und wie zu tun hätte. Sie erzählte eine starke Geschichte von der Geburt ihres Kindes, wobei die Geburt an sich das Highlight war. Die meisten anderen Frauen, die mir ihre Geschichte erzählten, erzählten von Beschwerden und der Erleichterung vom Ende der Geburt: Als endlich alles vorbei war und das Baby da war.
Miriam traf sich mit mir in meinem 8. Schwangerschaftsmonat und wir hatten gemütliche 2 Monate uns kennenzulernen. Die Ruhe und Gelassenheit die Miriam ausstrahlte, bekräftigte die Entscheidung zur Hausgeburt. Ihre Erzählung zu Geburt war eine gute Geschichte, die nichts übergriffiges hatte und mir so meine eigene Erfahrung nicht vorwegnahm. Sie beschrieb die physischen Prozesse der Geburt, wie der Körper reagiert und was häufig beobachtete Arten der Wehen-Verarbeitung sind. Das Wichtigste für mich war, dass sie mir nicht erzählte was ich tun musste. Meine Fragen wurden immer in Ruhe beantwortet und wenn ich nichts fragte, wurde mir nichts aufgedrückt.
Am Vollmond-Tag in meiner 40sten Woche bewegte sich was in mir. Es wurde noch eingekauft, das Auto gewaschen, der Stall zu Ende gebaut, doch war ich am Warten was passieren würde. Gegen frühen Abend rief ich dann Miriam an und sagte, dass ich zwar noch keine Wehen hätte, aber glaubte es würde an dem Tag noch losgehen. Sie war nun auf Abrufbereitschaft. Wir machten noch Bauch Fotos, aber ganz entspannt war es in mir nicht mehr. Eine Stunde später fing ich an regelmäßig Wehen zu haben. Noch nicht stark, aber unverkennbar Wehen. Ich rief Miriam wieder an und wir beschlossen noch ein wenig zu beobachten. Innerhalb der nächsten Stunde blieb meine Wehenfrequenz konstant und so machte sich Miriam auf den Weg.
Als Miriam ankam befand ich mich im Wohnzimmer in Wehen-Konzentration. Die Wehen waren meine Meditationszeit in der ich nicht ansprechbar war. Wer mich doch ansprach wurde nachdrücklich darauf hingewiesen bitte nicht mit mir zu sprechen. So wurde ich mit meinen Wehen in Ruhe gelassen und so ging es uns gut. Zwischen den Wehen unterhielt ich mich gerne. Da Miriam nun da war, wanderten wir ins Schlafzimmer, wo ich untersucht werden sollte. Auf dem Weg dahin übergab ich mich (im Bad), was mir später als der Moment erklärt wurde, wo sich der Muttermund öffnete.
Die Untersuchung ergab, dass der Muttermund bereits 6cm offen war und die Geburt wurde somit offiziell als „in Arbeit“ bestimmt. Miriam holte ihre Sachen aus dem Auto und rief die zweit-Hebamme Meike an. Mittlerweile wurde es dunkel draußen und mein Partner zündete mehrere Kerzen im Zimmer an. Das Zimmer liegt unterm Dach und durch die großen Dachfenster schien der Vollmond. Kerzen,- und Mondlicht machten eine gemütliche und schöne Stimmung im Zimmer.
Ab da verging die Zeit in ihrem Rhythmus. Es gab Wehen und Wehenpausen. Die Wehen waren meine Zeit und in den Pausen waren wir ein Zimmer voller netter entspannter wartender Menschen. Na gut, ich weiß nicht ob alle entspannt waren. Mein Partner, glaube ich, am wenigsten. Und ich den Umständen entsprechend. Aber sonst waren wir zumindest alle friedlich und ruhig.
Als Meike gegen 22 Uhr kam, trafen wir uns zum ersten Mal. Ich holte sie nicht an der Tür ab und kauerte ein wenig erschlagen in meiner Lieblingsecke auf dem Boden. Sie tat so als wäre diese Art der Erstbegegnung in meinem Haus das Selbstverständlichste auf der Welt und war mir gleich sympathisch.
Die Zeit verging weiter wie zuvor, nur das Miriam jetzt eine Partnerin hatte, die genauso viel Ruhe und Frieden ausstrahlte. Irgendwie war es schön. Zwischen den Wehen fühlte ich mich gut aufgehoben und in den Wehen passierten spannende innere Prozesse. Irgendwann erfühlte ich die pralle Fruchtblase und war schwer beeindruckt.
In Filmen beginnt eine Geburt meist mit der geplatzten Fruchtblase. Doch blieb sie bei mir ziemlich lange intakt. Kurz vor Mitternacht platzte sie dann mit einer faszinierenden Wucht. Es fühlte sich gut an. Doch dann kamen die Presswehen. Die waren weniger schmerzhaft, aber körperlich anstrengender. Miriam und mein Partner unterstützten mich wo sie nur konnten und halfen mit Gegendruck und Rückendruck. Mit dem Wegfall des Wasserpuffers nahm ich jetzt viel mehr in mir wahr und konnte spüren wie das Köpfchen immer dichter zum Ausgang kam – und dann wieder zurück, in der Wehenpause.
Das letzte Stück war anstrengend und faszinierend zugleich. Meine Gesprächigkeit in den Wehenpausen wurde mit Ausruhen ersetzt, aber irgendwann war es dann soweit und der Kopf war geboren. Er quäkelte schon. Als der Körper dann folgte, entpuppte sich das Gequäkel als ein gesundes Schreien. Ich bekam mein Baby gereicht und wir legten uns mit meinem Partner zu dritt aufs Bett. In unserem kleinen dreier-Glück hörte ich die Hebammen über ‚Ihn‘ reden. Irgendwann verstand ich es, und ein Griff bestätigte, dass wir einen Sohn bekommen hatten. Zu dritt (oder zu fünft…ich hab da schon die Orientierung verloren, denn wir wurden zu einem Menschenknäul) gebarten wir dann noch die Plazenta. Mein Partner schnitt die Nabelschnur durch und die Hebammen halfen meinem Sohn mit den ersten Trinkversuchen. Als alles gut aussah, verließen uns die Hebammen und gingen in die Küche. In unserem neuen Kleinfamilien-Dasein verlor ich alle Zeitrelationen und wir bestaunten das Wunder des Lebens. Irgendwann (nach 5-60 Minuten) kamen Miriam und Meike wieder… und ich wurde zum Vernähen vorbereitet. Ich hatte bis dahin gar nicht gemerkt, dass ich genäht werden musste. Doch auch das Nähen war keine negative Erfahrung, denn es schien weiterhin der Vollmond mit dem Kerzenlicht um die Wette. Mein Partner schlief mit dem Kleinen auf der Brust ein und so gaben die beiden ein kleines Schlafkonzert zum Besten. Die Erleichterung und Freude einer guten Geburt machte die Stimmung fröhlich und leicht und ich wurde eingeladen der Plazentainspektion beizuwohnen. Während meine Jungs schliefen, lernte ich so im Kreis der Hebammen wie mein Söhnchen in mir gewohnt hat. Irgendwann waren auch die Näharbeiten beendet und ich durfte duschen gehen.
Sauber kam ich ins Zimmer zurück, wo ein frisches Bett auf mich wartete und meine beiden Männer, deren Größenunterschied nie mehr extremer sein wird, als an dem ersten Tag. Wir kuschelten uns zu dritt ein und ich bekam gar nicht mehr mit wie Miriam später das Haus verließ. Geborgen und geboren fühlten wir uns.