Unsere älteste Tochter ist im Geburtshaus geboren, ihre beiden Geschwister sind jeweils zu Hause zur Welt gekommen. Jede dieser Geburten war wunderbar. Jede war anders. Jede für sich habe ich in schönster Erinnerung. Unser viertes Kind sollte natürlich auch zu Hause geboren werden.
Dass auch diese Geburt einmalig und anders als die anderen werden würde war mir theoretisch klar und gleichzeitig plagte mich dieses Wissen sehr. Rückblickend würde ich sagen der Geburtsbeginn unseres vierten Kindes war viele Tage vor der eigentlichen Geburt und spielte sich vorläufig vor allem im meinem Kopf und weniger in meinem Körper ab. Sehr viele Fragen beschäftigten mich in dieser Zeit und Miriam (meine Hebamme) wurde nicht müde geduldig zuzuhören, mich ernst zu nehmen und mir auf die Fragen, sofern das möglich war, Antworten zu bieten: Würde es so schnell gehen wie die dritte Geburt, die wir ohne Hebamme bestritten haben und die ich als quasi schmerzfrei in Erinnerung habe? Würden wir die Hebamme dieses Mal rechtzeitig rufen? Würde dieses Kind – so wie unser zweites Kind- bereits einige Tage vor dem errechneten Termin zur Welt kommen? Würde es überhaupt zu Hause geboren werden können? Was wenn nicht? Sollte ich – wie bei den anderen auch – doch nochmal zur Akupunktur gehen, oder würde das den Geburtsvorgang nur noch mehr beschleunigen? Hatte ich vor den anderen Geburten auch ständig solche wiederkehrende Wehenschmerzen die mich nachts wachhielten (und einmal auch Miriam in Aktion treten liesen) und tagsüber wieder verschwanden? Sollte ich beim vierten Mal all das nicht bereits wissen? Was wenn diese vierte Geburt gänzlich in die Hosen ginge und meine Panik vor einer Klinikgeburt mit allem drum und dran doch noch Wirklichkeit werden würde? Meine Ungeduld wuchs und schlussendlich fragte ich mich, sieben Tage nach dem errechneten Termin, ob dieses Kind überhaupt noch jemals geboren werden würde. Entsprechend froh und erleichtert war ich als es sich mit einem Blasensprung um Mitternacht endlich, deutlicher als bisher, geburtsbereit zeigte. Eine Nacht lang bereiteten wir uns entspannt zu Hause auf sein Kommen vor. Miriam erreichte uns – wie versprochen- zwanzig Minuten nach unserem Anruf und lies sich, nach kurzer Begutachtung der Lage, anstandslos nochmals auf eine Matratze im Nebenzimmer betten, mit der Bitte sie zu rufen, sollten die noch zaghaften Wehen stärker werden. Mein Mann verwandelte unser Schlafzimmer in ein flackerndes Lichtermeer. Die Grossen wurden wach und bauten sich ein Lager im Zimmer der Ältesten. Nach und nach schlummerten alle um mich herum bis in die frühen Morgenstunden mehr oder weniger weiter. Und ich genoss meine Wehen, die sanft und regelmässig in mir wogten und gerne hätten stärker werden dürfen, es aber vorerst nicht taten. Es war wohl nötig, dass erst gänzliche Ruhe eintrat und wir die grossen Kinder wohlversorgt wissend in Schule und Kindergarten verabschiedet hatten. Ich habe mich die ganze Zeit über nicht aus dem Bett erhoben. Ganz im Gegensatz zu den anderen Geburten war mir einfach danach in meinem Bett liegen zu bleiben. Das wohlige Kernzenflackern der Nacht wurde inzwischen von wärmender Frühlingssonne überstrahlt und erfüllte das Zimmer mit der Energie eines neuen Tages. Während Miriam sich ihr Frühstück in unserer Küche zusammensuchte, begannen meine Wehen stärker zu werden und ich war – wie immer froh -meinen Mann an meiner Seite zu wissen. Wenige Worte, Blicke, Atemzüge und Handgriffe reichten uns inzwischen um miteinander den Wehenschmerz zu verarbeiten. Eine intensive Ruhe, Kraft und Zweisamkeit erfüllte mich in diesem Moment. Und Miriam’s leises Tellergeklapper im Hintergrund unterstützte dieses Gefühl und gab mir die Gewissheit: sie ist da, wenn ich sie brauche ohne enttäuscht zu sein, noch nicht gebraucht zu werden. Und so konnte ich mich fallen lassen, bei mir sein und mich voll und ganz auf das wilde Geschehen in mir konzentrieren. So kann ich auch nicht mehr sagen, wann Miriam zu uns gestossen ist. Jedenfalls war sie da ohne gerufen werden zu müssen und begleitete uns beinahe unmerklich.
Genauso habe ich es mir gewünscht, genau das war, was mich entspannen lies, genauso hatte ich das Miriam in unseren Treffen vor der Geburt zu schildern versucht. In diesem – wie in vielen anderen Momenten – fühlte ich mich von Miriam sehr genau verstanden und erkannt und dadurch sehr sicher und bestärkt auch den letzten Abschnitt der Geburt selbstbestimmt mit der Unterstützung meines Mannes und Miriam zu meistern. Unser Kind lies nicht mehr lange auf sich warten. Pünktlich zum Frühlingsanfang um 10.00Uhr war es geschafft. Sie war da. Sie war gesund. Sie war wunderschön und wir waren – einmal mehr – überwältigt und unendlich dankbar für dieses Geschenk. Der Beginn eines neuen Frühlings hätte gar nicht schöner sein können…
Liebe Miriam, an dieser Stelle nochmal ein dickes Dankschön für deine Sicherheit, Ruhe, und positive Selbstverständlichkeit mit der du dich bei uns bewegt hast; für deine Einsatzbereitschaft und dein Know-How, vor allem aber auch für dein Zuhören können und deine Fähigkeit dich voll und ganz auf mich einzulassen und zu erfassen was mir guttut und mir wichtig ist. Wo werden wir enden, wenn es solche Erfahrungen und solche Hebammen in Deutschland nicht mehr geben sollte?