Die wunderbare Hausgeburt unserer Tochter Junah

Januar 2013

Eine Erstgebärende mit 37 Jahren? Darf frau da überhaupt über eine Hausgeburt nachdenken, wo sie doch sofort den Stempel „Risikoschwangere“ nur aufgrund des Alters aufgedrückt bekommt? Und wo das Krankenhaus gute 30 km entfernt ist?
Bei meinem Antrittsbesuch bei der Gynäkologin, die die Schwangerschaft bestätigte und mir sofort „Patienteninformationen“ mitgab, fühlte ich mich zwar durchaus gut aufgehoben, aber auch gleich abgestempelt als Patientin…. hey, ich bin schwanger, nicht krank! Ich bin keine Patientin!


Es folgten viele große und kleine Auseinandersetzungen mit dem Thema. Mein Liebster, der anfangs Bedenken gegen das Thema Hausgeburt äußerte, war total schnell überzeugt davon. Eine gemeinsame Kreißsaalbesichtigung im nächstgelegenen Krankenhaus hat uns beide total abgeturnt, auch hier: Patientin, Standardprocedere, keine Individualität, kein Platz für Befindlichkeiten. Natürlich wird allen Frauen ein Zugang für einen Tropf gelegt…. schließlich muss man ja für den Notfall gewappnet sein. Und dann der Auftritt des Chefarztes, der mit stolzgeschwellter Brust berichtete, dass sie im Ernstfall 3 Minuten brauchen, um das Kind per Kaiserschnitt zu holen. Ah ja, das war jetzt genau DIE Information, die ich mir von solch einem Abend wünsche. ((Zur Verteidigung kann ich sagen, dass wir noch eine Kreißsaalbesichtigung in einem kleineren Krankenhaus hatten, die viel netter und persönlicher war. Dies wäre dann das Krankenhaus unserer Wahl gewesen, wenn wir eins gebraucht hätten)).
Auch eine Erfahrung aus dem Sommerurlaub in Italien hat mit dazu beigetragen, dass wir uns schließlich für eine Hausgeburt entschieden haben: Wir waren einige Tage unterwegs, jeden Tag andere Orte und damit auch andere sanitäre Einrichtungen, mit der Reaktion, dass ich schlichtweg nicht aufs Klo konnte…. erst als wir an einem schönen Ort angekommen waren, uns eingerichtet hatten, sprang mein Darm auch wieder an… und ich dachte: wenn mein Darm schon „zumacht“, wie soll es erst meiner Gebärmutter gehen, wenn wir mit Wehen ins Krankenhaus fahren? Kann ich da dann wirklich loslassen, mein Kind zur Welt bringen, mich öffnen? Oder muss nachgeholfen werden?? Und dann heißt es hinterher: „Wie gut, dass Sie im Krankenhaus waren!“ Von wegen!

Eine Bekannte empfahl uns Meike vom Hebammenteam Hand in Hand. Schon die Homepage gefiel uns gut, Meike angeschrieben, prompte Reaktion bekommen, telefoniert, erstes Kennenlernen ausgemacht und Bingo! Da war sie, unsere Hebamme!!! Eine, mit viel Erfahrung, beruflich wie persönlich. Eine mit viel Freiraum im Denken. Alles war erlaubt. Zweifel, Unsicherheiten, Ängste. Bis zur letzten Sekunde hatte ich die Freiheit, mich jederzeit umentscheiden zu können. Es folgten viele, viele Hausbesuche. Nie war ihr ein Termin zuviel, nie war ich Patientin. Es war immer okay, dass ich parallel auch noch hin und wieder Termine bei meiner Frauenärztin wahrgenommen habe. Es entstand ein persönliches Vertrauensverhältnis, das mir viel Sicherheit gegeben hat. Und welch Luxus: Hebammenbesuch zu Hause! Kein Rumsitzen im Wartezimmer, keine unnötigen Untersuchungen, keine Angstmacherei. Stattdessen: Kaffee und Gespräch, Herztöne hören, Kindsbewegungen ertasten. Es waren wunderbare Monate! Ich war so gar nicht risikoschwanger, sondern einfach nur gesund und fit und hurraaa, mit 37 schwanger!
Einige Wochen vor dem Geburtstermin haben wir dann Anke, die als zweite Hebamme auserkoren war, kennenlernen dürfen. Auch sie hat sich Zeit genommen, lange mit uns zusammen gesessen, von sich erzählt, Fragen beantwortet. Hinterher war klar, ja, auch sie können wir uns gut bei der Geburt vorstellen.
Meike gab uns schließlich kurz vor dem Geburtstermin die Besorgungsliste für die Hausgeburt. Ganz wie es meine Art ist, habe ich alles akribisch zusammen gestellt, alles sollte vor Ort und griffbereit sein. Ich wollte, dass niemand noch losziehen oder irgendetwas suchen muss (kann ich sehr empfehlen, hat zu sehr viel Entspannung geführt, weil wirklich alles da war!). Wir haben uns einen Geburtspool gekauft und vorher probegebadet. Ich habe viel gelesen, vor allem Literatur, die hausgeburtsfreundlich war. Ich habe die Ohren zugemacht, wenn mir jemand Gruselgeschichten erzählen wollte. Ich habe eine Geburtskerze angefertigt und schöne Dinge zusammen gesucht, die auf unserem Hausgeburtsaltar stehen sollten. Positive Geburtsaffirmationen aufgeschrieben, meditiert, mich innerlich auf diese große Reise vorbereitet. Ich war im Dialog mit dem Baby in mir, ich habe ihm erzählt, wie ich mir die Geburt für uns beide wünsche.
Ja und dann war der Tag da…. wir haben es schon ein paar Tage zuvor geahnt, ich hatte unruhige Nächte, konnte nicht mehr gut schlafen, war aufgeregt. Morgens bin ich aufgestanden, habe Mails an Freundinnen verschickt und plötzlich war da so ein Schmerz im Bauch, der eine andere Qualität hatte…. das Gefühl entstand: es geht wirklich los!! Huiii, wie aufregend. Ich bin duschen gegangen und danach habe ich meinen Liebsten geweckt. Wir haben eine Weile gekuschelt, sind dann aufgestanden, um alles vorzubereiten. Die fertig gepackten Sachen für die Hebammen parat stellen, Pool aufblasen, Wasser einlassen, die Geburtskerze wurde von uns angezündet, sie sollte uns durch die Stunden begleiten. Meike haben wir kurz angerufen und vorgewarnt. Als alles fertig war, haben wir erstmal gefrühstückt und dann entspannt im Bett einen Film gesehen. Ich hatte etwas Bauchweh, aber es tat sich nix. Nachmittags sind wir dann spazieren gegangen, erst eine Runde durch den Garten, dann schließlich eine Runde durch die Nachbarschaft. Es tat sich nix, ich dachte schon „Scheiße, wenn das jetzt ein Fehlalarm war, dann haben wir 300 Liter Wasser im Geburtspool und alles fertig aufgebaut für nix…..“ Der Liebste schlug nach diesem kalten Winterspaziergang vor, dass wir dann ja einfach mal im Pool baden könnten, dann war das Wasser wenigstens von Nutzen. Gesagt, getan. Hach, was für ein herrlicher Pool! Frei schwebend, bis zum Hals im Wasser, im heimischen Wohnzimmer, bei Kerzenlicht! Danach sind wir raus aus dem Pool und haben beschlossen, dass wir uns dann noch mal hinlegen. SMS an Meike: Es ist ruhig bei uns, vielleicht wird das heute doch nix! Doch sage und schreibe 15 Minuten später hatte ich plötzlich ganz eindeutig Wehen! Und zwar so, dass ich nicht mehr liegen mochte, sondern froh war, aufrecht zu stehen. Das also sind Wehen! Der Liebste hat Meike angerufen und es war klar, es geht wirklich los und zwar mit solch einer Frequenz, dass sie kommen soll! Es war schön zu wissen, dass Meike unterwegs ist. Alles war vorbereitet, ich habe mich wohl gefühlt und konnte mich ganz auf die Wehen konzentrieren. Viel mehr wäre auch nicht gegangen. Man war ich froh, dass wir nicht ins Auto mussten!!!!! Kein Wehen veratmen auf dem Flur eines Krankenhauses, keine fremden Menschen um mich herum.
Als Meike kam, saß ich im Wohnzimmer auf dem Pezziball und habe mich am Esstisch festgehalten, wenn die Wehen kamen. 3 Minuten Abstand, nicht wirklich viel. Meike war leise, aufmerksam, liebevoll. Sie war vertraut. Es war gut, dass sie und mein Liebster sich auch mehrmals gesehen hatten, es gab kein Fremdeln, keine Hemmschwelle. Ich konnte mich ganz auf mich konzentrieren. Irgendwann hat Meike mich dann untersucht, oh wow, voller Erfolg, ich habe schon 4 cm geschafft! Sie hat dann gesagt, dass ich in den Pool gehen dürfte, vielleicht nimmt das auch noch mal Geschwindigkeit raus und die Wehen lassen nach… Ich war einen Moment unsicher, weil der Poolrand so hoch, das Wasser so tief war. Was, wenn es mir drinnen nicht gefällt, schaffe ich es dann überhaupt wieder raus? Aber schließlich bin ich reingestiegen und es war wunderbar! Die Wehenfrequenz ist im Wasser nicht weniger geworden, im Gegenteil. Es war klar, das Baby wird kommen, es wird keine 48 Stunden dauern! Schön fand ich, dass mein Liebster an diesem Punkt gefragt hat, ob er mit in den Pool kommen soll. Wir hatten das vorher gar nicht so genau besprochen. Ich wusste auch nicht, wird er es vielleicht unangenehm finden? Aber da der Impuls von ihm ausging, habe ich gerne Ja gesagt. Und es war wunderschön! Es war wirklich ein gemeinsames Geburtserlebnis, näher kann man als Papa nicht beteiligt sein! Mir hat es sehr viel Kraft und Rückhalt gegeben, dass er so da war! In der Hochphase hat Meike dann über den Beckenrand meine Hand gehalten, während er mich im Rücken gehalten hat. Männliche und weibliche Energie vereint.
Spätestens im Pool habe ich total die Zeit aus den Augen verloren, nichts war mehr wichtig, ich wusste nicht, ob Tag oder Nacht ist, ich war nur konzentriert auf das, was da passierte. Und ich habe alle Bedenken und Konventionen über Bord geworfen, bin ich vielleicht zu laut? Muss ich den Hebammen nicht Schnittchen machen? Brauchen sie sonst irgendwas? Alles Quatsch! Ich habe mir erlaubt, ganz bei mir und meinem Kind zu sein. Nur das war wichtig. Meike signalisierte mir immer wieder, dass ich es genau richtig mache, dass es toll voran geht. Einzig beim Atmen halfen sie und mein Liebster mir zwischendrin, wenn ich nicht tief genug in den Bauch geatmet habe. Ich habe getönt, was das Zeug hält! Und es war wunderbar, im warmen Wasser so beweglich zu sein. Noch jetzt beim Schreiben habe ich den Geruch des Plastikbeckens in der Nase, weil ich bei jeder Wehe mit der Nase fast auf dem Beckenrand hing. Irgendwann unter einer Wehe sprang die Fruchtblase, was für ein Erlebnis. Ich schaffte es noch in der Wehe, den Anderen dies mitzuteilen.
Irgendwann hat dann meine Kraft nachgelassen, ich war sooo kaputt! Volle Wehentätigkeit seit 5 h. Ich wollte so gerne ausruhen, es schon geschafft haben… Meike half mir mit einer Calcium-Brausetablette wieder zu Kräften. Und dann war da irgendwann das Signal, dass es nicht mehr lange dauern kann, denn ich bekam mit, dass sie Anke anrief…. ich habe mich gefreut, es kann nicht mehr lange dauern, ich bekomme mein Baby und wirklich Zuhause!! Anke war wenig später da. Und mein Muttermund 10 cm auf!
Zeitgleich war das aber auch der Moment, der mir Angst gemacht hat: jetzt gibt es kein zurück! Ich muss es jetzt wirklich schaffen… und dabei bin ich doch so kaputt! Was, wenn ich es nicht schaffe? Keine PDA, kein Kaiserschnitt, kein Krankenhaus in Reichweite. Bin ich denn verrückt gewesen? ((Ich glaube, dass wenn ich im Krankenhaus gewesen wäre, ich spätestens an diesem Punkt darum gebeten hätte, dass ich eben doch etwas gegen die Schmerzen bekomme… muss sich der venöse Zugang doch gelohnt haben…. quasi „Wo ich schon mal hier bin und sie mir einen Zugang gelegt haben, kann ich ja auch was nehmen….!“)) Gleichzeitig war ich auch in dieser Situation total stolz und froh und glücklich: Ich bekomme mein Kind ganz selbst, nur mit emotionaler Unterstützung!! Meike unterstütze mich mit Bachblüten. Der Liebste feuerte mich an. Alle rechneten damit, dass es noch ein, zwei Wehen brauchen würde und dann wäre das Baby da…. ich war ja schon ganz offen, alles war bereit… doch plötzlich war da eine kleine Lippe, die der Muttermund gebildet hatte, es ging nicht mehr vorwärts. Baby und Körper wollten weitermachen, aber meine Angst hat mich „zugemacht“. Meike versuchte unter den nächsten zwei Wehen, die Lippe zur Seite zu schieben, aber es ging nicht (AUA!). Und dann war da dieser Satz: „Du musst das alleine schaffen. Lass los! Lass die Lippe wieder gehen. Lass Dein Baby zur Welt kommen!“ Und ich dachte: „Ja, darüber bin ich nicht verwundert. Das ist mein Thema: Loslassen, mich hingeben. Hier ist sie also, die Herausforderung, mit der ich gerechnet habe…“ (Und die mir in der Klinik sicherlich komplett aus den Händen genommen worden wäre, ganz im Sinne von „es geht nicht vorwärts, das ist bestimmt ganz furchtbar schlecht fürs Baby, da müssen wir nachhelfen, schneiden wir mal, benutzen die Saugglocke oder doch noch schnell ein 3-Minuten-Kaiserschnitt?“) Meike hörte die Herztöne von unserem Baby ab: alles in Ordnung! Es geht ihm gut! Und so hab ich dann noch mal richtig kräftig gearbeitet, nicht im Sinne von ganz viel pressen, sondern von atmen, eher weniger pressen, mich wieder weich machen, den Kopf wieder ausschalten, die Angst gehen lassen, das Baby begrüßen, das Baby auf die Welt bitten. Es war ein wunderbarer Kraftakt, eine riesige Anstrengung. Viel pressen, alles mit großer Anstrengung, das wär mir doch leicht gefallen…. aber weich werden, mich hingeben, mich öffnen, eine echte Herausforderung! Es war schön zu fühlen, dass der Mann in meinem Rücken an mich glaubt. Dass die Hebammen an mich glauben. Dass das Baby an mich glaubt und mir mit guten Herztönen signalisiert: Wir schaffen das, ich kann noch einen Moment warten, wenn Du noch Zeit brauchst!
Und dann war es geschafft! Die Lippe war weg! Und das Baby rutschte tiefer, ich konnte es fühlen in mir. Ich spürte, wie ich mich weitete, wie der Kopf schließlich durchrutschte. Ich brauchte nicht mit der Hand fühlen. Der Liebste an meiner Seite hat es getan, hat das Köpfchen gefühlt. Ganz viele Haare! Und dann die nächste Wehe und mit einem Schwall rutschte der Körper nach! Das Baby war draußen! Geboren unter Wasser! 7 h Wehen insgesamt. Meike, mit triefend nassen Ärmeln, hat es im Wasser aufgefangen, es gehalten und gesagt: „Euer Baby ist da! Schaut, es kommt auf euch zugeschwommen!“ und mit diesen Worten hat sie es ganz langsam aus dem Wasser (das nicht mehr klar war) auftauchen lassen. Was für ein unglaublicher Moment! Und dann hat sie es mir auf die Brust gelegt. Im Arm des Papas liegend. Alle drei vereint! Willkommen, kleine Junah!

Junah ist mittlerweile fast 4 Monate alt; ein gesundes, kräftiges, ausgeglichenes kleines Mädchen. Ihre Wiege steht genau dort, wo sie geboren worden ist. Der Papa ist ein stolzer Hausgeburtspapa, der sich immer wieder für eine Hausgeburt entscheiden würde. Ich bin dankbar für diese wundervolle Erfahrung und für dieses große Geschenk, dass ich an mich geglaubt habe.

Danke an Meike und Anke!!

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