Die Geburt unseres zweiten Kindes

Vor der Geburt

Vor fünf Jahren hatte ich unsere Tochter zu Hause geboren, damals allerdings noch in einer anderen

Stadt. Es war eine relativ schnelle und absolut komplikationslose Geburt und trotzdem habe ich sie

als unbefriedigend empfunden. Ich hatte starke Schmerzen und fühlte mich fast während des

gesamten Verlaufes hilflos und den Wehen ausgeliefert. Zwar wollten mein Mann und ich von

Anfang an gerne auch ein zweites Kind, aber nach diesem Erlebnis sah ich mich kaum in der Lage,

das noch einmal durchzustehen.

Der Zufall half, dass ich die Erfahrung der ersten Geburt letztendlich hinter mir lassen konnte. Eine

Freundin machte mich mit „HypnoBirthing“ vertraut, einer Methode, mit der man lernen kann, sich

selbst in einen tiefen Entspannungszustand zu versetzen.

Sie baut auf den Erfahrungen des englischen Gynäkologen Grantly Dick-Read auf, der feststellte,

dass Frauen schmerzarm und sogar schmerzlos gebären können, solange sie entspannt und angstfrei bleiben.

Angst, so Dick-Read, lässt die Muskeln verkrampfen und verkrampfte Muskeln können nicht arbeiten

ohne Schmerzen zu verursachen.

Ich wurde wieder schwanger und dieses Mal bereitete ich mich mit HypnoBirthing auf die Geburt

vor. Nach und nach verstand ich, warum ich meine erste Geburt als so schwer empfunden hatte und

wusste nun, dass ich aktiv dazu beitragen konnte, meine zweite Geburt zu einem schöneren Erlebnis

werden zu lassen. Ich verlor bald alle Angst und sah dem großen Tag ruhig und voller Vorfreude

entgegen.

Die Geburt

Unser Baby hatte es nicht eilig, die Welt kennen zu lernen. Erst eine Woche nach dem „Ratedatum“

wachte ich nachts mit leichten Wehen auf. Ich dachte, jetzt würde es richtig los gehen, so wie es bei

meiner ersten Geburt der Fall war. Aber es blieb bei leichten, unregelmäßigen Wehen und ich

schlief einfach wieder ein.

Am Vormittag kam Miriam zur täglichen Vorsorge. Ich fühlte mich ruhig und eindeutig nach Geburt

und sagte zu ihr, wir würden uns wohl heute noch einmal wieder sehen. Bis zum Mittag spürte ich

ab und zu mal eine Wehe, aber sonst passierte nichts. Nach dem Mittagessen hatte unsere Tochter

eine Verabredung und mein Mann und ich genehmigten uns noch eine große Portion Eis zum

Nachtisch.

Eine halbe Stunde später (ich lag gerade entspannt auf dem Bett und las) sprang meine Fruchtblase.

Mein Mann rief Miriam an und ließ unsere Tochter zurück bringen. Ich duschte kurz und legte mich

dann ins Bett. Die Wehen waren nach dem Blasensprung kräftig, aber nicht schmerzhaft; ich atmete

tief und konzentriert und ließ mich tragen. Miriam kam und saß ruhig bei mir, bald darauf war auch

unsere Große wieder da. Das war der Punkt, an dem ich komplett entspannen konnte: Die Familie

war beisammen, Miriam an unserer Seite – jetzt konnte das Baby kommen!

Ich atmete mich ruhig durch die Wehen. Einige schmerzten im unteren Rücken, aber Miriam

linderte das, indem sie mit einer Hand kräftig Druck dort ausübte. Ich fühlte mich klar und stark

und überließ meinem Körper die Führung. Mein Mann und meine Tochter schauten regelmäßig zu

mir rein, hielten sich aber sonst im Nebenzimmer auf.

Irgendwann schlug Miriam mir vor, noch einmal auf die Toilette zu gehen. Schon nach den ersten

Schritten spürte ich, wie es stark nach unten drückte und wusste, dass es nun nicht mehr lange

dauern würde. Zurück im Schlafzimmer kamen mein Mann und unsere Tochter dazu und ich ging

vor dem Bett in den Vierfüßlerstand. Die erste Presswehe kam. Noch fiel es mir schwer loszulassen

und dem gewaltigen Druck des Kopfes nachzugeben, aber bei der zweiten konnte ich dann

mitgehen. Eine dritte und der Kopf war geboren. Eine vierte und unser Baby war – drei Stunden

nach dem Blasensprung – geboren!

Nach einer kleinen Starthilfe zum ersten Atemzug nahm ich unseren Sohn sofort zu mir. Ich sah ihn

an, dann meinen Mann und meine Tochter, die ganz ergriffen war von ihrem ersten Geburtserlebnis.

Es war ein Moment vollkommenen Glücks und großer Nähe zwischen uns vieren.

Nach der Geburt

Ich hatte mich schon weit vor der Geburt entschlossen, dass mein Baby in den ersten Tagen nicht

angezogen werden sollte. Ich wusste, dass großflächiger Hautkontakt zwischen Mutter und Kind

stark bindungsfördernd ist und wollte uns beiden diese uneingeschränkte Nähe ermöglichen. So

verbrachte mein Sohn die erste Woche nackt auf meinem Bauch.

Ich fühlte mich ein wenig instabil im Rücken, aber ansonsten fit und wach. Trotzdem blieb ich die

meiste Zeit im Bett liegen, um mit unserem Baby zu kuscheln. Heutzutage wird eine Frau ja dafür

bewundert, wenn sie schnell nach der Geburt wieder mobil ist. Aber ich dachte mir, dass ich

niemandem etwas beweisen musste, sondern dass es hier einzig um mich und unser Baby ging. Ich

wollte uns Ruhe geben, um uns kennen zu lernen. Mein Mann unterstützte das nach Kräften. Er

versorgte mich mit allem, was ich brauchte, kochte, kümmerte sich um unsere Tochter und um den

Haushalt. Zu Besuch kam nur, wen ich um mich haben mochte. So gelang uns eine besonders

schöne erste Zeit, aus der ich gestärkt und tief verbunden mit unserem Baby hervor ging

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