Aller guten Dinge sind drei

Die Geburt unseres ersten Sohnes fand im Krankenhaus statt und endete in einem Kaiserschnitt. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, was hier eigentlich geschehen war und empfand die Erfahrung als belastend. Als ich 2019 erneut schwanger wurde, wusste ich, dass ich es diesmal anders machen möchte und hatte das große Glück, Andrea kennenzulernen. Sie begleitete uns bei der zweiten Geburt in die Klinik – eine ganz andere Erfahrung, aus der wir dankbar hervorgegangen sind. Durch Andreas Anwesenheit waren wir trotz des klinischen Umfelds sehr behütet. Mein Wunsch, spontan zu gebären, erfüllte sich auch – allerdings war die Geburt sehr interventionsreich und somit auch diese Erfahrung weit entfernt von einer Geburt, so wie ich sie mir wünschte und von der ich überzeugt war, dass sie möglich sei.

2022 wurde ich wieder schwanger und es war klar, dass wir uns wieder Andrea an unserer Seite wünschten. Von Anfang an war sie für mich und uns als Familie da und hat die lange Entscheidungsfindung begleitet, an dessen Ende wir uns einig waren: Wir wollen es zu Hause versuchen. Das Bild meiner Wunschgeburt entstand zwar schon früh in der Schwangerschaft – vielleicht sogar schon davor – doch immer wieder kamen Bedenken von Innen oder Außen hinzu. Insbesondere mein Mann hatte nach den bisherigen Geburtserfahrungen Zweifel, ob eine außerklinische Geburt das Richtige für uns sei. Das runde Bild unserer Hausgeburt entstand somit erst sehr spät, vielleicht vier Wochen vor dem errechneten Termin. Meine Vorbereitung hatte ich aber schon wesentlich früher begonnen. Das Erlernen der Entspannungstechnik der „Friedlichen Geburt“ sowie die Begleitung durch meine Doula-Kollegin und -Freundin Mone, eine angepasste Ernährung und positive Affirmationen formten eine Vorstellung davon, wie es sein könnte – wenn es uns vergönnt sein würde.

Der errechnete Termin war der 7. Oktober. Wir vermuteten, dass es wie bei den Brüdern früher losgehen würde, vielleicht am ersten Oktoberwochenende. Weit gefehlt… die Tage verstrichen und nichts geschah. Auch der ET verstrich ohne weitere Ankündigungen. Ein seltsames Gefühl, doch hatten wir dadurch so viel Zeit, uns auf die Ankunft unserer Tochter einzustellen. Irgendwann gab es schlichtweg nichts mehr zu tun. Irgendwann wollte ich einfach, dass wir uns endlich kennenlernen dürfen und ich sie in meine Arme schließen könnte. Wieder und wieder spielte ich durch, was geschehen würde, wenn es losgeht. Am Dienstag war ich zur Kontrolle in der Frauenarztpraxis. Alles in Ordnung, aber der Muttermundbefund verhieß keinen baldigen Geburtsstart; ohne Druck fiel der Begriff Einleitung. Mit einem mulmigen Gefühl verließ ich die Praxis. Auch wenn noch ein wenig Zeit war – eine Einleitung wollte ich nicht, zumal dies natürlich einen Klinikaufenthalt verhieß. Andrea hatte am Sonntag die Möglichkeit einer Eipollösung fallen lassen. Mit dieser Option ging ich nun schwanger, wir beratschlagten uns und verabredeten uns für Mittwochabend. Ich war aufgeregt und wachte am Mittwoch mit dem Gefühl auf, dass etwas Aufregendes passieren würde. Gleichzeitig war es wunderbar zu wissen, dass es keinen Druck gab und ich nichts tun musste. Es blieb weiterhin unsere Entscheidung. Den Tag über versuchte ich, mich so gut es ging zu schonen und vorzubereiten, ging bei schönstem Herbstwetter durch den Wald spazieren, hörte Hypnosen und Affirmationen. Am Nachmittag hatte ich die Gelegenheit, mit beiden Jungs noch ein wenig Zeit verbringen zu dürfen. Um halb sechs wollte Andrea kommen, ich wurde nervöser. Als sie da war, untersuchte sie mich zunächst, sie fand den Muttermund durchaus reif. Sie versicherte mir, dass sie mit der Eipollösung nichts lostreten würde, wofür der Körper nicht bereit sei und ich versicherte mich wiederum noch einmal bei meinem Mann, dass wir das nun wirklich machen – ein klares Ja. Die Lösung an sich war unspektakulär und von dort an hieß es warten. Unser Baby war von diesem Zeitpunkt an unglaublich aktiv und ich spürte, dass etwas passiert. Das Abendprocedere nahm seinen Lauf und nach einigem Hin und Her, als spürte er die Unruhe, schlief auch unser jüngerer Sohn gegen 21 Uhr ein.  Ich dachte: duschen, Kakao, schlafen – das möchte ich vorher noch machen. Also gab es unser Abendritual und ich ging um zehn Uhr unglaublich müde zu Bett.

Gegen halb zwölf wachte ich vom Ziehen im Bauch auf. Das könnte eine Wehe sein, dachte ich… ich machte mir Musik auf den Kopfhörern an und wartete ab. Wollte die Abstände und die Regelmäßigkeit einschätzen. 7 Minuten, 7 Minuten, 5 Minuten? Sie waren nicht stark. Ich überlegte, was ich nun machen würde. Es stand in diesem Moment außer Frage, dass wir zu Hause bleiben. Irgendwann stand ich auf, ging ins Bad, zog mich an, machte ein letztes Bauchfoto. Dann die erste Wehe, bei der ich mich auf die Atmung konzentrieren musste. Ich beschloss, meinen Mann zu wecken. Es war ca. halb eins. Wir gingen ins Wohnzimmer und fingen an, alles vorzubereiten. Mein Mann arbeitete seine Liste ab, ich half ihm erst noch, dann ging ich in Hypnose. Es klappte gut. Irgendwann dachte ich, ich müsste noch einmal auf die Uhr schauen, kniete an der Heizung. Wehen alle 4 Minuten. Ich bat meinen Mann, Andrea anzurufen. Die Wehen wurden intensiver. Ich war in Bewegung, auf der Matratze, im Tuch, im Stehen. Andrea kam, ich beachtete sie erst gar nicht, war so versunken, irgendwann winkte ich ihr immerhin zu und sie sagte, sie würde gern die Herztöne messen. Eine Wehe veratmete ich im Stehen, dann das Dopton – alles gut. Ich spürte, dass die Intensität der Wehen weiter zunahm und versuchte, den immensen Druck auszuhalten. Ich wollte, dass die Kinder nun abgeholt werden – sollte eines von ihnen wach werden, würde ich mich so langsam nicht mehr um sie kümmern können. Mein Mann erledigte auch das. Eigentlich wünschte ich mir, dass er aufhört zu räumen und zu mir kommt. Langsam dachte ich auch: Das wird jetzt wirklich doll, ich weiß nicht, wie lange ich das schaffe. Vielleicht doch ins Krankenhaus? Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass die Jungs schlafend hinausgetragen wurden, kein Weinen, ich war erleichtert. Für meinen Körper wünschte ich mir Entspannung: Können wir bitte den Pool aufbauen? Umtriebiges Werken begann. Mone sollte nun auch kommen, mein Mann rief sie an. Nun wollte Andrea mich untersuchen, ich legte mich auf die Matratze. 4-5cm – das war mir zu wenig. Dieser Befund passte nicht zu meinem Empfinden und wenn es so nach länger weitergehen sollte – nein, das konnte ich mir nicht vorstellen und tat das auch lauthals kund. Andrea bestärkte mich mehrmals – doch, du schaffst das! – und mein Mann half mir mit dem Duftanker wieder in die Entspannung zu kommen. Ich wurde ruhiger. Andrea die eine Hand, mein Mann die andere Hand haltend, blieb ich auf der Seite liegen und konzentrierte mich wieder auf die Atmung, die Abstände der Wehen wurden wieder länger. Die Kopfhörer hatte ich inzwischen abgenommen, es störte gefühlt alles. Auch wenn ich kaum noch visualisieren konnte, konnte ich mich entspannen und konzentrieren. Irgendwann kam Mone dazu. Meine Hände durften die Drei nicht loslassen, also wechselten sie sich ab. Obwohl ich die Geburt über bis dahin recht ruhig war und versuchte, die Kraft in mein Inneres zu lenken, fing ich auf einmal an zu tönen und nach kurzer Zeit sogar zu brüllen. Ich dachte: Oh nein, jetzt bin ich wieder an diesem Punkt, an dem ich bei den anderen Geburten war, der Punkt, an dem es nicht weiterging bis eine PDA zu Entspannung verhalf. Aber ich machte einfach weiter, war so sehr im Tunnel und im Gefühl. Andrea stand auf und fing an, Dinge hin und her zu tragen. „Presse ich schon?“ fragte ich erschöpft in einer Pause. „Du machst das so, wie es dein Gefühl dir sagt“, sagte Andrea. Mit der nächsten Wehe merkte mein Körper, nicht mein Kopf – ich schiebe, und zwar mit voller Kraft. Ich brüllte alles heraus und realisiere nur halb, in welchem Tempo es passierte. Andrea stoppte mich, ich wollte erst gar nicht auf sie hören – „Lass die Welle gehen“. Okay, ich atmete durch, Andrea kochte Wasser und ich wunderte mich: Wird unsere Tochter jetzt gleich geboren? Das Gefühl des Übergangs von der Eröffnungs- zur Austrittsphase kannte ich bis dahin schlichtweg nicht. „Die nächste mit halber Kraft“, sagte Andrea, es fiel mir schwer, denn es war so schön, so kraftvoll und intuitiv, was da passierte! Ich spürte keinen Schmerz, nur den Wunsch, weiterzumachen. „Sie hat die Eihaut noch vor dem Gesicht, ich schneide sie nun frei“ – eine Glückshaube?! Der Wahnsinn. Damit erreichte Andrea mich, ich wartete. Und wusste: Gleich ist sie da, ich konnte es kaum abwarten. Die nächste Wehe kam – ich hörte nur ein „Ja“ – und da war sie. Andrea befreite sie von der Eihaut, unsere Tochter weinte einen kleinen, heiseren Schrei – und dann war sie bei mir. Dieser Moment, für den ich so viel gegeben hätte – er war wirklich da. Das erste Mal erlebte ich es, mein Kind in Empfang nehmen zu dürfen, direkt aus meinem Bauch heraus, noch mit der Nabelschnur verbunden. Mitten bei uns im Wohnzimmer, umgeben von wunderbaren Menschen. Wir weinten und staunten, unsere Tochter wurde in warme Handtücher gewickelt, es hätte nicht perfekter sein können.

Ich ließ ein paar Wehen verstreichen bis Andrea mir bei der Plazentageburt half. Was dann alles geschah – ich kann mich vor lauter Glückseligkeit kaum erinnern. Irgendwann kam Gesa, die 2. Hebamme, die eigentlich schon zur Geburt hätte dabei sein sollen. Ich erfuhr, dass unsere Tochter um 3:31 Uhr geboren wurde und realisierte, wie schnell alles gegangen war. Die Stimmung war herrlich gelöst, es wurde aufgeräumt, gequatscht, gesnackt. Nach einer winzigen Startschwierigkeit hat unsere Tochter das erste Mal getrunken, auf der Seite liegend. Andrea sagte später, dass sie in der ersten halben Stunde noch etwas erschöpft gewirkt hätte, so als würde sie Energie benötigen. Mit einem kräftigen Schrei und dem anschließenden Stillen wurde das aber besser. Irgendwann wurde es Zeit für die Versorgung der Geburtsverletzung. Andrea schlug vor, hierzu noch einmal in Hypnose zu gehen. Mein Mann durfte in der Zeit auf dem Sofa mit unserer Tochter bonden. So unschön so ein Nähen ist – ich werde nie vergessen, wie wohl ich mich trotzdem gefühlt habe, wie dankbar ich war, dass ich einfach dort liegen konnte, während Andrea mit ihrer Stirnlampe vor mir auf der Matratze kniete und mich versorgte… ich glaube, ich habe ganz schön viel dummes Zeug geredet in der Zeit – so duselig vor Glück. Irgendwann wurde ich zum Duschen gebracht, in Windeln  gepackt und durfte mich ins Bett legen, das Mone schon gemütlich vorbereitet hatte. Hier führte Andrea auch die U1 durch: 50Cm, 3.390g, 34cm Kopfumfang und alles prima. Nun konnte das Wochenbett beginnen, was für ein Erlebnis. So glücklich, so gesegnet. Nacheinander verabschiedeten sich alle. Andrea sagte meinem Mann noch, wie schön es ist, dass er mit mir diesen Weg gegangen ist… wie recht sie hat. Aber ohne sie wären wir dort nie hingekommen! Die beiden unterhielten sich noch ein wenig und tranken Kaffee und irgendwann ging auch sie wohlverdient nach Hause… mein Mann kam zu uns ins Bett und so begann unsere gemeinsame Reise – zu fünft als Familie.

Meine Dankbarkeit für Andrea und das ganze Team kann ich kaum in Worte fassen. Die Möglichkeit zu haben, im eigenen Tempo, nach den eigenen Wünschen und dem eigenen Gefühl folgend zu gebären, empfinde ich als unglaublich wertvoll. Jede Berührung, jede Untersuchung wurde nur mit meinem Einverständnis durchgeführt. Andrea hat mich auf meinem eigenen Weg von der ersten Minute an (tatsächlich war sie die allererste, die von meiner Schwangerschaft erfuhr) begleitet und bekräftigt, an der richtigen Stelle einen kleinen Stups gegeben und mich geleitet, wo ich es brauchte. Auch mein Mann hat so viel Vertrauen aufbauen können, dass er einer Hausgeburt trotz vieler Bedenken zustimmte und nun voller Stolz auf dieses Ereignis blicken kann. Von Herzen danke, liebe Andrea! Und auch alle anderen Hebammen aus dem Team haben sich mir mit viel Empathie, Zugewandtheit und Engagement gewidmet – Vera, die mich fürsorglich im frühen Wochenbett begleitet hat, Meike, die sich während einer fantastischen Massage in der Schwangerschaft auch noch geduldig meine Geburtsgeschichten angehört hat und Gesa, die nicht nur den schönsten Plazentaabdruck gestaltet, sondern auch für einen entspannten Start ins Wochenbett gesorgt hat. Eure Arbeit ist wunderbar!

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