Die Geburt von Greta*, 10. 2.2011
*Namen geändert
Vorgeschichte: Die Geburten meiner ersten zwei Kinder (7 und 5) fanden im Krankenhaus statt. Das war damals für mich eine Selbstverständlichkeit, ich kannte niemanden, der Hausgeburten erlebt hatte, ich dachte damals nicht weiter darüber nach. Beide Geburten verliefen komplikationslos. Allerdings verlangte ich schon bei der ersten nach einer PDA, weil ich die Schmerzen unerträglich fand.
Die zweite Geburt wollte ich eigentlich in Begleitung meiner Vorbereitungs-Hebamme (nicht aus dem Hausgeburtsteam), die neuerdings dies auch anbot, erleben, hatte es auch so mit ihr abgesprochen, aber als es nachts losging und ich über Stunden versuchte sie zu erreichen, war sie nicht für mich da. So begann diese Geburt mit einer großen Enttäuschung. Ich hatte gehofft, mich zusammen mit meiner Hebamme etwas geborgener und stärker zu fühlen als bei der ersten Geburt. Dies war nicht der Fall und die PDA kam wieder zum Einsatz. Ich habe das Krankenhaus in beiden Fällen als sehr unpersönlich und die Hebammen als unbeteiligt und nahezu desinteressiert empfunden. Dass meine Kinder gesund auf die Welt kamen, hat natürlich diese Gefühle in den Hintergrund gedrängt. Auch war ich immer schnell auf den Beinen, was dazu führte, dass ich beide Male schnellstmöglich wieder mit meinem Kind nach Hause fuhr (wenige Stunden nach der Geburt). Ich fühlte mich im Krankenhaus, da es bei mir keine medizinischen Notwendigkeiten gab, einfach nicht richtig. Ich wollte nach Hause, wo ich Ruhe hatte.
Neun Tage vor dem errechneten Geburtstermin.
Es ist ein Samstag. Morgens um fünf wache ich auf und denke, ich habe in die Hose gemacht, weil ich ein paar Tropfen spüre. Ich gehe zur Toilette und bin mir nun nicht mehr ganz sicher. Ist es ein Blasensprung? (Bei meinen ersten zwei Geburten begann die Geburt auch immer mit dem Blasensprung, aber da hatte ich keine Zweifel, weil es schwallartig geschah.) Das Tröpfeln hört nicht auf, also gehe ich zurück ins Schlafzimmer und sage, Peter* … Er wacht auf – ja? Ich sage, ich glaube, ich habe einen Blasensprung, aber ich bin mir nicht ganz sicher. Peter ist ganz schnell wach – echt? Wir lächeln beide ein bisschen und finden es ziemlich aufregend, dass es jetzt tatsächlich so weit sein könnte. Dieses Kind ist unser erstes gemeinsames und wir freuen uns, sind auch sehr aufgeregt. Ich lege mich mit einem Handtuch ins Bett und rufe Miriam an. Ich wecke sie und sage ihr, was los ist. Sie fragt, wie es mir geht. Es gibt noch keine Wehen, mir geht’s gut, ich bin entspannt. Sie sagt, glaube ich, okay, bleib liegen, sag mir Bescheid, wenn es Wehen gibt. Kurze Zeit später ruft sie nochmal an, sag mal, was habe ich dir gesagt? Okay, ich melde mich gleich wieder. Ich frage sie, ob ich duschen kann. Klar, sagt Miriam. Um sechs geht Emma* (7) aufs Klo, ich rufe sie in unser Schlafzimmer und sage ihr, dass heute das Baby kommt. Emma umarmt mich und freut sich. Dann wecken wir Ben*(5) und Paul* (13). Den Kindern sieht man eine ruhige Aufregung ins Gesicht geschrieben. Es ist noch früh, Wochenende, alles läuft ziemlich entspannt. Wir rufen unsere Freunde an, die die drei wie abgesprochen abholen. Dann legen Peter und ich uns wieder ins Bett. Miriam kommt gegen halb acht. Sie fängt an ein paar Dinge vorzubereiten, ihre Notizen zu machen. Ich habe die ganze Zeit kaum Wehen, höchstens leichte und fühle mich recht wohl. Ich finde es fantastisch zu Hause zu sein, in Ruhe, Peter ist da, und Miriam zunächst nur im Hintergrund. Als wir allerdings anfangen die Wochenendzeitung zu lesen, sagt Miriam, das sollen wir lieber lassen. Wir sollen uns etwas auf die Geburt vorbereiten und die Außenwelt draußen lassen. Stimmt. Es kommen wenig Wehen, kaum spürbar, ich verliere wenig Wasser. Ich verbringe den Vormittag im Bett, schlafe später auch noch eine halbe Stunde. Miriam geht noch mal in die Stadt. Ich finde alles wunderbar entspannend. Irgendwann mittags meint Miriam, dass allmählich die Wehen stärker werden könnten. Ich beginne Treppen zu steigen. Ich bekomme einen Einlauf. Beim Treppensteigen werden die Wehen allmählich stärker. Ich kann sie gut veratmen. Miriam ist begeistert von unserer Treppe (Altbau, 17 Stufen, eng zwischen Holzgeländer und Wand), ich glaube, weil ich mich so gut festhalten kann. Immer wenn ich oben oder unten angekommen bin, bekomme ich mit schöner Regelmäßigkeit Wehen. Zwischendurch gehe ich immer mal wieder aufs Klo, Pipi, danach sofort wieder Wehen. Mehrmals, wenn ich oben an der Treppe ankomme, mache ich den Mund auf, Miriam gibt mir irgendwelche Kügelchen. Ich weiß gar nicht welche, ich vertraue, bin voll mit mir beschäftigt. Ich weiß noch, dass ich einmal weinen muss. Peter fragt mich, ob es so weh tut. Ich sage, nein, ich bin so glücklich, dass es jetzt so weit ist, dass es los geht. Peter ist die ganze Zeit irgendwo in der Wohnung. Er macht Wäsche, räumt auf, ich weiß es gar nicht genau, ich weiß aber, dass er da ist. Ich liebe es zu Hause zu sein. Es ist ein völlig anderes Gefühl, die Geburt nicht mit Hektik, Raumveränderung und Krankenhaus zu beginnen, und ich kann mir nichts Schöneres mehr vorstellen. Die Wehen werden stärker. Miriam bereitet im Schlafzimmer, wo unser Baby zur Welt kommen soll, einiges vor. Störendes wird aus dem Weg geräumt, Peter hat schon das Bett vorbereitet, Gebärhocker, Matten usw. erscheinen. Die Wehen werden irgendwann so stark, dass ich nicht mehr laufe, sondern im Schlafzimmer die meiste Zeit im Vierfüßlerstand stöhne und mich hin und her wiege. Irgendwann untersucht mich Miriam, das tut weh. Der Muttermund geht kaum auf, nach starken Wehen nur auf 4 cm. Aber Miriam sagt, durch ihre Untersuchungen weitet er sich. Allerdings merke ich ihr an, dass er vielleicht zu wenig aufgeht. Ich mache weiter, die Schmerzen sind jetzt enorm. Mir ist bewusst, dass jedes Stöhnen unter den Wehen unendlich lang dauert. Wo habe ich die Luft her? Zwischen den Wehen atme ich heftig und schwitze. Peter und Miriam sind dabei. Einfach dabei, das ist gut. Der Muttermund weitet sich kaum. Miriam schlägt vor, dass ich in die Badewanne gehe. Peter bereitet das Wasser vor. Warm, mit viel Salz. Ich steige hinein. Unsere Badewanne, das Badezimmer, sind klein, es ist vielleicht der ungemütlichste Raum in der ganzen großen, schönen Wohnung. Die Schmerzen werden im Wasser heftiger. Es ist nicht angenehm, in der Enge zu liegen. Ich winde mich und sage zu Peter, wie weh es tut. Ich sage nicht, ich kann nicht mehr. Das zu sagen unterdrücke ich. Ich denke dagegen, ich kann! Jetzt, wie auch schon vorher im Schlafzimmer, denke ich, ein Glück, dass ich nicht im Krankenhaus bin. Dort würde ich jetzt der Versuchung nicht widerstehen können, um Schmerzmittel zu bitten. Ich denke selbst, dass es vielleicht paradox ist so zu denken. Aber ich wusste immer, dass ich es auch ohne PDA kann, nur im Krankenhaus nicht. Ich weiß nicht mehr, wie viele extrem schmerzhafte Wehen ich in der Wanne aushalte. Miriam untersucht mich. Irgendwann ist auch Meike gekommen. Ich bin so mit mir beschäftigt, sage mir aber, ich muss sie doch auch mal kurz ansehen, sie ist schließlich bei der Geburt meines Kindes dabei. Ich schaue ihr kurz ins Gesicht und dann arbeite ich weiter. Miriam sagt, der Muttermund geht einfach nicht weiter auf, ich sollte vielleicht doch wieder raus aus der Wanne und noch ein paar verschiedene Positionen ausprobieren. (Später sagt sie mir, dass sie verstehen kann, dass ich bei den vorhergehenden Geburten eine PDA verlangt hatte. Anscheinend ist mein Becken so geformt, dass sich das Babyköpfchen erst sehr spät drehen kann und bis dahin unheimlich schmerzlichen Druck ausübt). Plötzlich überkommt mich noch in der Wanne mit einer unglaublichen Wucht eine so starke Wehe, dass ich brülle. Dies ist ein ganz anderes Gefühl als vorher. Mein Körper entwickelt eine solche Kraft, die ich selber gar nicht beeinflusse, die von ganz alleine kommt. Oder ist es das Baby, dass sich nun rausdrücken will? Auf jeden Fall fühlt Miriam nochmal den Muttermund, plötzlich 8 cm. Ich frage, darf ich pressen? Miriam sagt, ja mach ruhig. Jetzt wenige Pausen, heftige Wehen, ich brülle, Peter hält meinen Kopf, Meike mein rechtes Bein, denn wenn das angewinkelt ist, geht es besser. Ich spüre die Kraft und sage Peter, er soll mich bloß fest halten, ich denke, sonst knalle ich gegen die Wannenwand. Peter sagt, ich halte dich. Jetzt presse ich unter den Wehen. Ich spüre den Kopf tief in meinem Becken. Einmal merke ich, dass Miriam leichten Widerstand ausübt. Später sagt sie mir, dass sie das tut, damit die nächste Wehe effektiver sein kann. Ich weiß nicht mehr, wie viele Presswehen es gibt. Nicht so viele. Peter hält meinen Kopf und erzählt mir später, wie mein Gesicht aussieht, ganz klein und gepresst, und daran liest er die Wahnsinnskraft ab, die meinen Körper durchfährt. Wenige Presswehen später geht es schnell. Ich presse, brülle und nehme auf meiner rechten Seite Bewegung wahr. Miriam, Meike und Peter scheinen mitzugehen, als plötzlich unser Baby aus mir herausschießt. Miriam fängt es geradezu auf, lenkt es nur um auf meinen Bauch. Und da liegt sie nun, unsere Tochter. Das Brüllen, das bei mir nun zu Ende ist, geht bei ihr jetzt weiter. Sie brüllt und brüllt. Und wir lachen und freuen uns. Ich denke und sage, ja brüll du nur, das war anstrengend und schwer! Sie brüllt, die Kleine, und Meike legt warme Tücher auf sie. Mir tut alles noch so weh, die Schmerzen sind nicht plötzlich weg, sie ebben langsam ab. Schön, dass sich gute Menschen um mich und unsere Tochter kümmern. Die Plazenta kommt bald. Meike und Miriam wundern sich, so wenig Blut! Aber nicht so wenig, dass sie sich Sorgen machen. Nur einfach wenig. Das Wasser ist kaum verfärbt. Peter zieht sein T-Shirt aus, er nimmt Greta auf den Arm. Greta saugt laut schmatzend an ihrem Daumen, Miriam und Meike lachen. Meike hilft ihm glaube ich. Miriam kümmert sich um mich, hilft mir aus der Wanne, trocknet mich ab. Ich zittere und finde es toll, dass sie mir so hilft. Sie hilft mir eine Unterhose anzuziehen. Ich gehe ins Bett, sie legt Greta neben mich, wir kuscheln. Greta saugt ohne Zögern. Es ist sechs Uhr abends. Von dem Zeitpunkt, als die richtigen Wehen begannen, bis zur Geburt, waren etwa drei oder dreieinhalb Stunden vergangen. Miriam untersucht mich noch im Bett, kein Riss, alles heil, nur leichte Schürfwunden, die so verheilen können, die ich gar nicht merke.
Peter und ich liegen im Bett mit Greta. Miriam und Meike sind glaube ich in der Küche, notieren das Nötige, essen Hühnersuppe von Peters Mutter. Gegen acht werden die anderen Kinder nach Hause gebracht. Alle sind müde und aufgeregt. Meike geht irgendwann, später Miriam. Es geht uns gut. Greta ist kerngesund. Die nächsten Tage erhole ich mich schnell, wir sind glücklich, dass wir zu Hause waren und sind, dass unser kleines, komisches Badezimmer der Ort dieses Glücks war. Ich würde es immer wieder so machen.
Auch die Schwangerschaft unter der, in der zweiten Hälfte ausschließlichen, Betreuung von Miriam war komplikationslos. Miriam war sehr einfühlsam und hat uns sehr geholfen uns auf unser Wunschkind einzustellen und vorzubereiten. Ich fühlte mich bei ihr sehr gut aufgehoben, konnte ihr voll vertrauen. Es war eine sehr intensive Zeit mit einem intensiven, glücklichen Abschluss. Vielen Dank.