Jules Geburt aus Sicht des Vaters

Es war wie eine Nacht von vielen in letzter Zeit. Ich schlief mal wieder alleine in unserem Ehebett, während Silke die Nacht ruhelos auf dem Sofa im Wohnzimmer verbrachte. Um 4.30 Uhr weckte sie mich dann mit den Worten: „Kannst Du mir bitte helfen, eine Unterlage aufs Sofa zu ziehen? Ich habe regelmäßige, aber ganz harmlose Wehen, … vielleicht geht es bald los!“

Nachdem ich Silke in meinem schlaftrunkenen Zustand geholfen hatte, schickte sie mich wieder mit der Annahme ins Bett, dass es sicher noch eine ganze Weile bis zur Geburt dauern würde – so wie bei unseren ersten zwei Kindern.

20 Minuten später wurde ich erneut von ihr aus meinen Träumen gerissen: „Es geht los, die Blase ist gesprungen!“ Um 5.17 Uhr informierte Silke unsere Hebamme Judith per Telefon. Bis zu ihrem Eintreffen hatte ich alle Hände voll damit zu tun, die beiden großen Kinder zu wecken, anzuziehen und zu unserer Nachbarin zu bringen. Zu unserer völligen überraschung stellte Judith nach ihrem Eintreffen fest, dass der Muttermund schon fast vollständig eröffnet war. Judith wirkte mit ihrer unglaublich beruhigenden Mischung aus Gelassenheit, Kompetenz und Zuversicht sowohl auf mich als auch auf Silke ein. Dies führte unter anderem dazu, dass sich Silke zu einem Spaziergang durch unseren Garten entschloss. Wie sie heute noch erzählt, hat ihr genau das, die vertraute Umgebung und die Morgendämmerung über sich, den nötigen Mut und die Entschlossenheit gegeben.

Mittlerweile war auch Vera, die zweite Hebamme, eingetroffen. Plötzlich ging alles sehr schnell. Silke zog sich in eines der Kinderzimmer zurück, wo sie auf dem Kinderbett hockend aus dem Fenster schauen konnte und die ersten Presswehen veratmete. Dieser Schritt war für uns alle zunächst überraschend, weil wir die Kinderzimmer in unseren Vorbesprechungen nie als einen möglichen Ort der Geburt miteinbezogen hatten. Während Judith und Vera notdürftig das Bett mit Schutzbezügen versahen und die sonstigen Vorkehrungen trafen, schickte mich Silke mit knappen Worten aus dem Zimmer. Dieses war schon hart für mich, da ich befürchten musste, zum einen nicht für sie da sein zu dürfen und zum anderen, die Geburt meines Kindes zu verpassen. Ohne mit der Wimper zu zucken akzeptierte ich aber ihren Wunsch sofort, da wir uns in der Geburtsvorbereitung auf eine solche Situation vorbereitet hatten und ich mir über die Wichtigkeit der Erfüllung ihrer Bedürfnisse unter der Geburt im Klaren war.

Da stand ich nun im Flur, ertappte mich dabei, allmählich diesen auf und ab zu wandern, immer mit einem Gefühl der Hilflosigkeit… und doch voller Optimismus. Ich wurde belohnt. Keine gefühlten 5 Minuten später, nachdem ich tatenlos mit anhören musste, wie Silke hinter der geschlossen Tür ihre Presswehen mit ungeahnten Stimmgewalten veratmet hatte, hörte ich sie plötzlich rufen: „Marc, komm rein… Dein Baby kommt!“

Beim Betreten des Zimmers fiel mein Blick sofort auf den Kopf des Babys, der bereits bis zur Nase heraus schaute. Ich erinnere mich noch, wie überrascht ich war, denn ich wusste instinktiv, dass es sich nur noch um eine Wehe handeln kann, bis das Baby rausflutschte. So war es dann auch. Um 7.12 Uhr schob Silke das Baby in einem letzten Kraftakt heraus, während sie durch das Fenster unseren älteren Sohn sehen konnte, der fröhlich von unserem Nachbarhaus zum Schulbus ging. Sie erzählt heute noch davon, wie viel Kraft ihr dieser Moment gegeben hat. Für mich liegt darin eine wundervolle Symbolik, die sich mit dem Anblick meiner frisch geborenen Tochter zu einem der schönsten Momente meines Lebens verfestigt hat.

Ich verspüre große Dankbarkeit, direkt nach der Geburt mit meiner kleinen Tochter, die mir Judith auf meinen freien Oberkörper gelegt hatte, ein paar innige Minuten vor unserem warmen Kamin verbracht zu haben. Ein wahrhaft abgefahrenes und stolzes Gefühl. Eine schönere Geburt hätte ich mir für unser Baby und vor allem meine Silke nicht wünschen können.

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