Linas Geburt kurz vor Weihnachten

Der errechnete Entbindungstag war der 27.12.2020 und dieser wurde von dem Frauenarzt auf den 21.12.2020 vorgeschoben. Eigentlich nicht möglich,

denn nach getesteter Ovulation hätte es bei dem ersten Datum bleiben sollen, aber was soll’s. Ich durfte eine Woche früher in den Mutterschutz, war happy damit und hatte irgendwie das Gefühl, dass mein Kind eh früher kommen würde. Doch nix da.
Der 21.12.2020 kam und ich war immer noch schwanger und Weihnachten rückte immer näher. Ich hatte zwar meinen Frieden damit geschlossen, dass unsere Tochter an den Weihnachtstagen kommen konnte, andererseits hatte ich doch alles gemacht was man so machen kann damit es eher los geht! Dammmassagen, Heublumensitzbäder, Himbeerblättertee habe ich getrunken, täglich 6 Datteln gegessen, mich recht strikt an die Louwen-Diät gehalten und auch mit meinen Mann gekuschelt. Vera hatte mir zwar nur auf Anfrage bestätigt das die Louwen-Diät wirkungsvoll sei, doch ich wollte eben alles für eine spontane, schnelle Geburt machen.
Vera ist bei der Untersuchung am ET noch locker drauf, ich hingegen bin angespannt und etwas enttäuscht, denn ich hatte bisher noch keine nennenswerte Vorzeichen. Ich habe hin und wieder leichte Schmerzen wie bei der Periode, aber als Hochschwangere ist das ja nichts Großartiges. Vera meint ich solle entspannen, wir haben ja noch den anderen ET im Kopf. Wir wollen uns am 24.12. wieder treffen.
Am 22.12.2020 ist es wieder ruhig. Nichts passiert. Ich gehe in den Garten und schneide die Beerensträucher, höre Musik um nicht zu denken. Hilft nur leider nicht. Wieso passiert nichts? Soll es wirklich ein Weihnachtsbaby werden? Muss ich irgendwann dann doch zum Frauenarzt für die Untersuchung und in einer Klinik gebären?
Es wird dunkel und ich gehe ins Haus rein, meine Playlist ist durch. Plötzlich das Lied von Gwen Stefani „what you waiting for?“. Ich muss lachen und fange an zu tanzen. Ich tanze durch’s ganze Haus bis ich klitschnass geschwitzt bin. Ich setze mich glücklich auf die Couch, werde ruhiger. Plötzlich fange ich an zu weinen, alle Sorgen sind wieder da. Als alle Tränen raus sind geht es mir besser und ich plane mit meiner Mutter was ich an Weihnachten backen soll. Timo (mein Mann) beruhigt mich nach Feierabend zusätzlich und so gehen wir schlafen und ich denke an ein letztes Weihnachten ohne Kind.
Um 3 Uhr nachts wache ich auf, von den bekannten Schmerzen wie bei meiner Periode, nur etwas stärker. In den nächsten 2 Stunden wache ich alle 20 Minuten auf vom gleichen Schmerz. Ich bin verwundert. Soll es endlich losgehen? Sind das Wehen? Ich merke, dass Timo kurz wach wird und unterrichte ihn von den leichten Wehen. Er meint ganz cool „Okay“, kann dann aber doch nicht mehr einschlafen. Um 6 Uhr stehen wir auf, ich gehe duschen, die Wehen kommen immer pünktlicher, alle 15 Minuten. Nach dem Frühstück, so um 8 Uhr, meldet sich Timo von der Arbeit ab und ich mich bei Vera an. Sie meint ich solle entspannen und mich melden wenn sich was ändert. Die Wehen sind noch gut zu veratmen und ich überlege wie schnell das weitergehen mag. Soll ich vielleicht doch noch den Kuchen backen, wie mit Mama besprochen? Timo zeigt mir lachend den Vogel und meint ich solle mich auf die Couch legen und Kräfte tanken.
Wir legen schnell die vorbereiteten Utensilien auseinander und schon ist das Wohnzimmer unten für die Geburt fertig.
So lege ich mich hin und döse vor mich hin bis mir auffällt das die Wehen auf einmal weg sind. Na super, dann wird das wohl heute doch nichts mehr, denke ich mir und in dem Moment ruft Vera an um zu fragen, wie die Lage ist. Ich klage Vera mein Leid, doch sie kann mich beruhigen und ermutigt mich etwas zu schlafen, was ich befolge. Die Wehen kommen langsam wieder als ich aufwache, es ist 11 Uhr. YES! Erst alle 15 Minuten, dann alle 10, auf einmal alle 7 Minuten. Ich telefoniere wieder mit Vera und bitte sie zu kommen, denn die Wehen werden stärker und ich habe Bedenken, dass nun alles doch schneller gehen könnte als gedacht.
Vera kommt um 13:45 Uhr bei uns an und auf einmal wird alles so wirklich. Ja, unser Kind ist unterwegs. Endlich!
Vera strahlt viel Ruhe aus, die mich beruhigt und zentriert, ich töne leise bei jeder Wehe. Denke „Jaaaaa, du darfst kommen“.
Sie fragt mich ob sie mal schauen soll wie weit der Muttermund ist. Puh, macht vielleicht Sinn, hoffentlich ist schon was passiert, denke ich mir. Das erste Blut was ich heute sehe ist bei der Untersuchung des Muttermundes, es tut etwas weh. 3 cm! Vera schaut zufrieden, ich denke „erst 3 cm? Dann wird das ja noch lange dauern…“
Vera fragt ob ich in die Badewanne möchte, der Kopf der Kleinen ist tief im Becken, weiter als gedacht.
Gut, dann versuchen wir es mal. Es ist 14 Uhr, wir gehen nach oben ins Badezimmer. Die Wanne ist schön warm, ich fühle mich wohl. Die Wehen werden stärker, die Wärme tut mir gut und lindert die Schmerzen. Vera schaut immer wieder mal nach den Herztönen des Babys, wenn ich einverstanden bin. Der Kleinen geht’s prima, sie bewegt sich. Timo bereitet nun auch das Wohnzimmer oben vor, falls wir nachher nicht mehr nach unten kommen können oder wollen. Die Wehen werden noch kräftiger, kommen mittlerweile alle 3 Minuten. Ich halte Timos Hand dabei und töne lauter. Vera misst nochmal den Muttermund und schau an, er ist bis auf den Saum vollständig! Ich bin verblüfft wie schnell das ging. Es ist 14:50 Uhr und Vera ruft nun Meike, die zweite Hebamme, dazu. Timo schreibt der Familie, dass die Kleine unterwegs ist und wir uns melden sobald sie da ist.
Ich verändere immer wieder mal die Positionen in der Wanne: sitzend, liegend, Rückenlage, Bauchlage. Irgendwie finde ich nicht den Halt den ich brauche, überstrecke mich. Oder mache ich etwas falsch? Vera redet beruhigend auf mich ein, lobt mich wie klasse ich das mache.
Meike ist kommt gegen 15:20 Uhr an, ich bekomme es nur neben der Wehe mit, sie hält sich zurück.
Wir entscheiden gemeinsam, dass ich aus der Wanne steigen soll um im Wohnzimmer weiter zu machen. 3 Minuten Zeit aus der Wanne zu steigen, mich abzutrocknen, rüberzuwatscheln, mich Meike vorzustellen, mich aufs Sofa in Seitenlange zu legen bis die nächste Wehe kommt. Vera und Timo helfen mir dabei, trotzdem fühle ich mich wie eine lahme Schnecke. Schon komisch jemanden komplett nackig kennen zu lernen, doch in dem Moment vollkommen Nebensache und in Ordnung.
Die Wehen sind mittlerweile nur noch mit lautem Tönen und Timos Händen, an denen ich mich festkralle, zu schaffen. Vera möchte irgendetwas versuchen, Muttermund wegschieben. Ich verstehe nicht ganz, doch vertraue ihr vollkommen. Wenn es hilft, dann los, doch es ist zu schmerzhaft.
Ich kann nicht mehr liegen, es ist 16 Uhr und ich bin im Vierfüßler vor dem Sofa. Die Stellung gibt mir wieder etwas Kraft. Mir ist heiß, Timo bietet mir zwischen den Wehen Wasser mit einem Strohhalm an, kühlt meine Stirn mit einem nassen Lappen.
Hinter mir lockert Vera mein Becken, es zeichnet und der Muttermund ist nun endlich vollständig.
Meine Füße sind auf einmal kalt geworden, Timo holt mir warme Socken und ich fühle mich damit gleich besser.
Ich merke langsam das sich was verändert, soll ich pressen? Vera meint ich solle nach meinem Gefühl gehen, lobt mich mit Meike wie toll ich es bisher mache. Ich versuche zu pressen, doch so richtig will es nicht klappen, ich töne stark und laut.
Ich verstehe nicht warum es nicht so recht klappen will, Vera ermutigt mich stärker zu schieben und die Blase springt.
Vera sagt das Köpfchen wird ein wenig sichtbar. Doch auch die nächste Wehe ist nur schmerzhaft ohne für mich erkennbaren Fortschritt. Ich bin etwas verzweifelt. Ich sage und meine die berühmten Sätze „Ich kann nicht mehr!“ und „Das mache ich nicht nochmal!“ Vera macht mir Mut, erklärt mir das Mitschieben und wir ändern nochmal die Lage. Welche ich möchte? Am liebsten gar keine mehr und mein Baby im Arm denke ich mir, entscheide mich nochmal für die rechte Seitenlage. In meinem Kopf ist Leere. Es ist 16:45 Uhr, ich höre irgendwo ein Handy leise klingeln, verdränge es sofort. Timo ist bei meinem Kopf, meine Augen sind geschlossen, ich drücke seine Hände mit jeder Wehe. Vera schlägt mir vor mit angehaltener Luft zu pressen und es klappt auf Anhieb besser.
Die warmen Kompressen die sie mir zwischen den Wehen auf den Damm legt tun dort so gut, trotzdem ist der Schmerz der den gesamten Körper umspült unbeschreiblich. Ich bin fertig und kaputt. Wie lange dauert das denn noch? Vera versucht alles um mich zu unterstützen, schüttelt mein Becken, hält mein Bein hoch. Sie fragt ob sie meinen Damm in der Wehe dehnen darf. Bitte, mach alles was hilft! Dammmassage? Probieren wir es aus!
Es ist 17:15 Uhr, der Kopf des Babys kommt immer mehr heraus, ich spüre es nun selbst, doch auch die heftigsten Schmerzen in meinem bisherigen Leben.
Vera fragt zwischen den Wehen ob ich den Kopf anfassen möchte, sie hilft mir mit der linken Hand hinzukommen. Was für ein ungewohntes Gefühl. Es ist nass und hart und irgendwie nichts für mich, ich ziehe die Hand weg.
Mein Körper ist an seinen Grenzen. Ich zittere, hab meine Beine nicht unter Kontrolle, es tut so weh, egal ob Wehe oder nicht, ob ich atme oder nicht.
Mit jeder weiteren Wehe kommt der Kopf mehr raus, doch ich merke wie er zwischen den Wehen immer wieder etwas zurück rutscht. Ich werde innerlich wütend, das kann noch nicht wahr sein! Egal ob ich nun reiße oder nicht, sie muss nun endlich raus! Ich nehme die nächste Wehe und schiebe wie verrückt mit, höre einfach nicht auf zu schieben, atme schnell ein und schieb weiter bis der Kopf draußen ist. Die Kleine schimpft sofort, was für ein ermutigendes, unerwartetes Geräusch! Der Körper kommt mit der nächsten Wehe, ohne viel Anstrengung problemlos hinterher. Es ist 17:36 Uhr, unsere Tochter Lina ist geboren!
Meine Beine zittern und Vera fragt ob ich Lina gleich mal haben möchte. Nichts lieber als das! Sie legt sie mir auf den Bauch und ich schaue ich das kleine, süße Gesicht und heiße sie willkommen. Sie schaut mit großen Augen zurück und meckert etwas, ich halte ihren Körper mit beiden Händen. Ich schaue glücklich zu Timo, er ist ebenso verzaubert wie ich, wir küssen uns.
Lina lässt etwas Kindspech frei, Vera wischt es von mir, wir lachen und kuscheln während die Nabelschnur auspulsiert. Ich habe wohl Nachwehen, aber keine Schmerzen. Die Plazenta kommt raus, ich soll kurz husten. Im Anschluss schneidet Timo stolz die Nabelschnur durch.
Vera zieht eine Stirnlampe an und fragt ob sie mal schauen darf ob ich Verletzungen habe, die sie dann versorgen würde. Der Anblick ist irgendwie lustig, es lindert meine Sorgen das ich möglicherweise genäht werden muss. Doch ich habe gar keine Verletzungen, nur leichte Schürfungen. Ich bin verwundert und stolz zugleich. Ich bekomme ein Gel, welches das Brennen der Schürfungen sofort lindert und kühlt. Wir wollen gleich mal versuchen Lina anzulegen, sie dockt sofort an und trinkt. Ich schaue stolz auf sie runter, so fühlt sich also Stillen an. Vera fragt, ob wir gemeinsam die Plazenta auf Vollständigkeit überprüfen wollen. Sie erklärt uns den Aufbau und zeigt uns wo Lina 9 Monate gewohnt hat. Was für ein bewundernswertes, schönes Organ denke ich mir. Danach bekomme ich am Rande leicht mit, dass Vera anfängt ihre Sachen schnell einzupacken, wundere mich darüber, bis eben war doch alles so entspannt, wir alle so glückselig. Doch Vera muss zu einer anderen Geburt, das Handyklingeln war die andere Frau in den Wehen. Vera drückt mich ganz fest und entschuldigt sich, dass sie mich nicht weiter betüdeln kann, doch ich bin ihr so dankbar für den tollen Beistand und verstehe komplett, dass sie gerade noch woanders mehr gebraucht wird. Es ist 18:15 Uhr, Meike schmiert Vera schnell ein Brot und schon fährt sie los, wir wünschen ihr eine gute Fahrt und der anderen Familie alles Gute. Meike bleibt bei uns und wir stoßen mit etwas Champagner auf Lina an.
Lina kommt zu Timo auf die Brust und Meike lässt uns zu dritt oben kuscheln, während sie in der Küche etwas Schreibkram erledigt.
Wir legen Lina auf die andere Seite an und es klappt wieder so prima. Meike führt die U1 gemeinsam mit uns auf dem Sofa durch, es ist so entspannt und schön. Lina ist 2920 Gramm schwer, 50 cm groß und hat einen Kopfumfang von 34 cm. Nach der Untersuchung wird sie das erste mal angezogen, statt und zufrieden schläft sie etwas.
Meike fragt ob ich duschen möchte, auf Toilette gehen kann. Sie hilft mir ins Badezimmer und in die Dusche zu steigen. Es ist so ungewohnt mit dem leeren Bauch zu duschen, heute morgen war er noch so prall gewesen. Meike hilft mir mich abzutrocknen, die Binden anzulegen, mich anzuziehen und danach gehen wir gemeinsam ins Schlafzimmer. Ich liege mit Lina in unserem Bett, sie schläft wie ein Engel. Ich bin trotz Erschöpfung hellwach. Timo macht mir schnell eine Tiefkühlpizza, verkündet am Telefon den engsten Angehörigen die Geburt von Lina, Meike packt währenddessen zusammen. Es ist ca. 21 Uhr, Meike kommt zu uns ins Schlafzimmer und wir verabschieden uns warmherzig. Wir bleiben zu dritt im Bett liegen und kuscheln uns in den Schlaf.

Es war eine so schöne, selbstbestimmte, natürliche Geburt. Ich habe mich zu jedem Augenblick aufgehoben und wertgeschätzt gefühlt. Vor jeder Untersuchung wurde ich gefragt ob ich es möchte und bei jeder Entscheidung mit einbezogen. Vera redete stets so liebevoll mit mir, baute mich auf wenn ich es brauchte oder ließ mir Freiraum wenn ich es wollte. Ich wurde zu nichts gedrängt, ich fühlte mich sicher und frei, alles geschehen zu lassen. Es war so wie ich es mir gewünscht habe und ich Danke Vera und Meike von Herzen dafür.

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