Zuhause – mein sicherer Hafen

2020 bin ich zum ersten Mal schwanger geworden. Ich hatte wenig Beschwerden und durfte eine sehr schöne Schwangerschaft erleben. In meinem Kopf war immer ein Bild von Geburt im Krankenhaus, weil „man das ja so macht“. Ins Krankenhaus gehen, weil es dort ja für Mutter und Kind unter der Geburt am sichersten ist. Doch ich hatte wirklich so große Angst vor Geburt an sich, dass ich anfangen musste mich zu informieren. Was ist Geburt eigentlich, was wird passieren, wie kann ich mich gut vorbereiten und wie haben andere Frauen ihre Geburten erlebt. Ich habe viel gelesen, einiges an Podcasts gehört und mir Fotos und Videos von Geburten angeschaut. Was mir dabei oft über den Weg lief, war die Hausgeburt. Ich habe mich damals schon geärgert, dass ich mich auf eine Geburt im Krankenhaus vorbereitet hatte und für die Erkenntnis „es geht auch anders“ so lange gebraucht habe. Nun ja, ich habe es im Krankenhaus durchgezogen und habe das System einfach als für mich ungeeignet empfunden. Es war nicht traumatisch, aber trotzdem weit entfernt von einer ruhigen und selbstbestimmten Erfahrung. Ich wurde nach vorzeitigem Blasensprung von Zimmer zu Zimmer geschickt und konnte nicht zur Ruhe kommen. Es gab keinen sicheren Ort für mich, um in mir und meiner Kraft anzukommen. Und, oh Wunder, natürlich blieben die Wehen aus. Nach Einleitung und vielen Stunden Wehen wurde unserer Tochter dann mit der Saugglocke auf die Welt geholfen. Alle gesund, aber nicht munter, sondern nur müde. Die Zeit auf der Wochenbettstation habe ich persönlich als schlimm in Erinnerung. Einfach nicht mein Umfeld, ich wollte nach Hause! Noch in diesem Moment war für mich klar, das nächste Kind gebäre ich zuhause!

2024 durfte ich zum zweiten Mal schwanger werden. Für mich war klar, ich suche mir eine Hebamme, bei der ich rundum komplett versorgt werde. So bin ich auf Vera gestoßen. Sie hat, bis auf zwei Ultraschalltermine bei der Gynäkologin, alle Vorsorgen gemacht, ich konnte mit ihr meine gewünschte Hausgeburt vorbereiten und für die Nachsorge blieb sie mir auch. Damit wurde ein riesiger Wunsch von mir erfüllt. Alles in Hebammenhand, alles in natürlichem Licht und nicht im krankhaften, denn das Gefühl hatte ich bei den ärztlichen Vorsorgen in der ersten Schwangerschaft oft.
Und wieder durfte ich eine wunderschöne, beschwerdearme Schwangerschaft verleben. Als wir uns dem ET näherten, wurde ich immer nervöser. Ich hatte Angst vor erneutem vorzeitigem Blasensprung und dass wieder die Wehen ausblieben und ich doch ins Krankenhaus müsste. Vera hat mich hier so gut abgeholt und mir meine Sorgen genommen.

Vier Tage vor ET hatte ich dann abends auf dem Sofa schon ein paar spürbare Wehen. Über Nacht und den nächsten Tag sind sie wieder verschwunden, nur um dann am Abend wiederzukommen. Zwei Tage vor ET hatte ich noch eine Vorsorge bei Vera und sie fragte, ob wir mal untersuchen wollen, ob die Wehen schon muttermundwirksam sind. Ich war ja neugierig, also untersuchte Vera und siehe da, 2cm hatten wir schon geschafft. Vera entließ mich den Freitag dann mit den Worten: „Ich bin ganz sicher, dass du mich jetzt am Wochenende rufst!“. Alles stand auf Geburt und ich war sehr nervös. Noch den Abend kamen die stärkeren Wehen wieder sehr regelmäßig und der Schleimpfropf ging ab. Ich hatte so oft gehört und gelesen, dass Geburten gern nachts im Schutz der Dunkelheit stattfinden. In dem Moment habe ich aber gemerkt, dass ich mich mit dem Gedanken mit der Geburt in die Nacht zu gehen, ganz schlecht fühlte. Und dann hat mein Körper einfach mit den Wehen aufgehört. Es beeindruckt mich einfach immer noch, wie man mental den Körper steuern kann. Schlafen konnte ich vor Aufregung zwar immer noch nicht wirklich, aber ruhen immerhin. Und als dann unsere Tochter morgens wach wurde und sich zu uns ins Bett kuschelte kamen die Wehen einfach genau so kräftig und regelmäßig zurück, wie sie abends gegangen sind. Ich fühlte mich wieder sicher und geborgen und konnte mich jetzt auf Geburt einlassen. Nach wie vor bin ich meinem Körper unendlich dankbar, dass ich alles so mitentscheiden durfte. Wir sind langsam aufgestanden und ich wollte noch mal in Ruhe duschen. Mein Mann fragte noch, ob seine Eltern unsere Große schon abholen sollen, aber ich fühlte mich noch so gut und die Wehen kamen und gingen so nebenbei, dass ich verneinte. Allerdings hatte ich Wirkung des warmen Wassers unter der Dusche unterschätzt. Die Wehen kamen direkt in deutlich kürzeren Abständen und wurden intensiver. Also doch flott Oma und Opa informieren und schnell die Dusche beenden. Während ich Wehen trackte und mich nebenbei anzog und Haare föhnte, übergab mein Mann Kind und Hund an die Großeltern und bereitete unseren Geburtsraum vor. Malervlies auslegen und gemieteten Geburtspool aufblasen. Dann sind wir beide mit meiner Musik ins Zimmer gezogen. Das Wasser sollte mein Mann noch nicht in den Pool einlassen, weil ich Sorge hatte es würde kalt werden, ehe ich einsteigen konnte. Man soll ja nicht zu früh ins Wasser, damit die Geburt nicht gebremst wird. Die Wehen waren noch super zu veratmen und hatten immer mal kleinere Pausen. Auch wenn Vera mich schon gewarnt hatte, dass die zweiten Kinder schneller kommen als die ersten (unsere erste brauchte ja auch besonders lang), dachte ich noch ich hätte noch viel Zeit. Ich legte mich auf die vorbereitete Matratze und versuchte mich in mich hineinzuziehen und ganz im Geburtsmodus anzukommen, den ich bei der ersten Geburt hatte. Und plötzlich wurden die nächsten 3-4 Wehen richtig kräftig, schwerer zu veratmen und „eklig“ pieksig und dann musste ich auf einmal schon pressen. Ich war so überrumpelt. Ich war noch nicht in meiner „Trance“, die ich von der ersten Geburt kannte. Beim ersten Mal war ich aber auch schon so viele Stunden am Arbeiten, dass ich unendlich erschöpft und müde war. Ich bekam wirklich fast gar nichts mit. Das war dieses Mal sehr anders. Ich wurde hektisch und rief meinem Mann unter der Wehe zu, dass ich pressen müsse und dass das Wasser in den Pool muss und Vera kommen soll. Ich bin dann schon in den Pool gekrabbelt, als das Wasser grad mal 20 cm hoch stand in der Befürchtung, dass ich es sonst gar nicht mehr rein schaffe. Und auch wenn ich gefühlt erst nur in einer Pfütze saß, hat das Wasser mir schon so sehr geholfen die Wehen zu verarbeiten und mich in den Wehenpausen besser zu entspannen. Was ich super spannend fand war, dass ich innerlich dieses Mal in einem ganz anderen Flow war. Ich habe alles so viel bewusster wahrgenommen. Bei der ersten Geburt habe ich nicht mal den Pressdrang richtig bemerkt vor lauter Ermüdung und dieses Mal konnte ich fühlen, wie sich mein Baby den Weg durch den Geburtskanal bahnt. Es hat sich dadurch alles so viel selbstbestimmter und kräftiger angefühlt. Für diese Erfahrung bin ich unglaublich dankbar. Die Wehen waren inzwischen schon wirklich sehr stark und ich brauchte volle Konzentration um mit ihnen mitzugehen. Zwischendurch habe ich immer mal gefühlt und konnte schon den Kopf und die vielen Haare tasten. Das war so unglaublich und hat mir echt noch mal Kraft gegeben. Während der Pool – Gott sei Dank – doch noch ganz befüllt werden konnte und ich die Wohltat des Wassers um mich herum genießen konnte, kam Vera an. Sie war so ruhig und brachte für mich aber so eine Sicherheit und Stärke mit in den Raum. Es fühlte sich direkt nach Endspurt an. Und trotzdem rutschte das Köpfchen immer nur bis zu einem Punkt vor und direkt wieder zurück. Vera hat nach jeder Wehe die Herztöne gehört. Irgendwann sagte sie mir, dass die Herztöne schlechter werden und wir uns etwas beeilen müssten. Das Baby muss raus. Zu keiner Zeit hatte ich Angst, denn ich fühlte mich mit Vera an meiner Seite einfach so sicher! Da die Herztöne nur ab und zu mal wieder besser wurden, das Baby sich aber nicht genug voran bewegte, schlug Vera einen Positionswechsel vor. Dafür musste ich das Wasser verlassen, worüber ich anfangs etwas traurig war, denn ich hatte mir wirklich sehr eine Wassergeburt gewünscht. Aber Hauptsache dem Baby geht es gut, also raus mit mir. Ich ging in den Vierfüßlerstand und konnte so genau spüren, wie das Köpfchen unter den Wehen immer vor rutschte und in den Pausen leider wieder zurück. Vera bereitete mich darauf vor, dass sie schneiden müsste, wenn es in der nächsten Wehe nicht weiter ginge und der Kopf geboren würde. Ich gab alles, doch es hatte wieder nicht funktioniert. Die Herztöne waren aber wieder besser. Ich hatte also noch eine Wehe Schonfrist. Aber wie viel Kraft ich auch gab, es blieb dabei, das Köpfchen wollte nicht raus. Während ich Vera darum bat, einfach zu schneiden, kam die Studentin super unauffällig an. Von ihr habe ich nichts gemerkt, außer dass Vera mich einmal informierte. In der nächsten Wehe hat Vera dann auf meinen Wunsch hin geschnitten und endlich konnte ich den Kopf gebären. Erleichterung, der Druck ließ nach und ich wusste, gleich habe ich mein Baby im Arm. Gesagt getan, mit der nächsten Wehe habe ich mein Baby geboren und war erleichtert und glücklich. Es brauchte kurze Zeit, dann hörte ich ein Schreien und Vera gab mir mein Baby. Es stellte sich heraus, dass die Herztöne schlechter wurden, weil das Baby die Nabelschnur um den Hals gewickelt hatte. Vera hat es ganz unaufgeregt befreit und alles war gut. Was für ein großartiges Gefühl, ich konnte selbst entdecken, dass ich einen kleinen Jungen geboren hatte. Das wussten wir bis dato nicht, denn wir wollten uns überraschen lassen. Das haben wir beim ersten Kind auch schon, aber da haben die Geburtshelfer geschaut und es mir gesagt. Dieses Mal selbst nachschauen zu können war einfach besonders. Jetzt kam dann auch Franzi, Veras Kollegin und zweite Hebamme für unsere Geburt dazu. „Leider“ zu spät, um Vera tatsächlich mit der Doku und allem anderen zu unterstützen, denn alles ging recht schnell. Die ersten regelmäßigen Wehen kamen morgens gegen 6:45 Uhr, Vera traf um 10:30 Uhr ein und um 11.04 Uhr habe ich unseren Sohn geboren. Wir warteten ganz in Ruhe auf die Geburt der Plazenta, während wir bonden konnten. Eine Weile hat es gedauert, aber dann kam die Plazenta hinterher und die Hebammen haben sie auf Vollständigkeit untersucht. Auch gezeigt haben sie uns dieses fantastische Organ. Es ist einfach so super spannend und wahnsinnig nützlich. Mein Mann bereitete mir mit einem kleinen Stück der Plazenta einen Smoothie aus Beeren zu. Nachdem ich nach der ersten Geburt wirklich lange und heftig mit Nachwehen zu tun hatte, habe ich dieses Mal nur eine Handvoll leichte Nachwehen verspürt. Diese Smoothies haben mir hier sehr den Schmerz genommen und waren auch noch superlecker. Nun half Leevka, die Hebammenstudentin, mir beim Anlegen und alle drei Hebammen zogen sich zurück und ließen uns in Familie eine Weile allein. Nachdem wir unser Glück bewundern konnten, hat Vera noch meine Wunde genäht, während mein Mann und unser Sohn Zeit hatten zu bonden. Nun durfte ich mit Leevka duschen gehen und mich danach zu meinem Mann und unserem Sohn ins eigene Bett kuscheln. Was für ein großartiges Gefühl im eigenen zuhause sein zu können. So hatte ich es mir gewünscht und vorgestellt. Ich konnte jetzt was essen und kuscheln und genießen, bevor Vera und Leevka zu uns ans Bett kamen, um die U1 zu machen. Es lief alles so ruhig und entspannt ab. Besonders schön war für mich in dieser neuen Situation mit neuem Baby einfach die gewohnte Umgebung mit meinem Mann an meiner Seite zur Unterstützung. Das hat mir so viel Sicherheit gegeben. Nun hieß es für mich ausruhen, heilen und einfach genießen. Die erste Geburt hat mich ein Jahr lang jeden Tag beschäftigt. Nicht traumatisch oder ähnliches, aber ich musste ganz viel davon erzählen und darüber nachdenken, um alles ordentlich zu verarbeiten. Ich dachte, wenn man so etwas Gigantisches und Grenzüberschreitendes, wie eine Geburt erlebt, dann ist das halt so. Dann braucht das ein Jahr innerer Arbeit und viel Austausch, um alles zu verstoffwechseln. Nach dieser zweiten, ruhigen, selbstbestimmten und kraftvollen Geburt, die ich dank Vera in meinem sicheren Hafen erleben durfte, weiß ich, dass dem nicht so sein muss. Diese Geburt war für mich noch am selben Tag verarbeitet. Es war einfach alles GUT!

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